Von Mark und Märkern

Der Teltow liegt in der Mark! Soweit, so klar. Er liegt auch in der Mittelmark, da wundert sich der eine oder andere schon. Und ein Großteil Brandenburgs ist nicht märkisch – das klingt für viele seltsam. Hier also mal eine ganz grundsätzliche Frage:

Wo ist die Mark und wo nicht, wer ist Märker und wer nicht?

Der 1862 geborene Ruppiner Heimatdichter und Lehrer Paul Hirsch beschrieb in seinem Gedicht „Legende: Wie der Märker entstand“,  wie seinerzeit der Heiland und Petrus an Spree und Havel gereist sein sollen, um ein Geschöpf zu erschaffen, das dem Boden dieser Gegend auch Früchte abzuringen imstande wäre. Petrus erschrak vor dem grobschlächtigen Ergebnis, dem Märker,  und wandte sich an den Heiland mit der Bitte, ihn wieder zurückzuverwandeln. Woraufhin es im Gedicht in der letzte Strophe dann heißt:

„Doch milde sprach der Heiland Christ:
„Nein, Peter, – der bleibt, was er ist!
Will er in dem Sumpf und im Sand gedeihn,
dann muss er trutzig und rauhhaarig sein!“
Allzeit ging in Erfüllung das Wort des Herrn:
Der Märker ist grob, – aber brav sein Kern!“

Als Geburtstag Brandenburgs gilt der 11. Juni 1157 an diesem Tage gelang es Albrecht dem Bären, ein Askanier und der erste Markgraf Brandenburgs,  eine vermutlich seit dem Frühjahr 1157 besetzte Burg, die ihm bereits 1150 von seinem kinderlos verstorbenen  Freund und Nachbarn, dem slawischen Fürsten Pribisław-Heinrich vererbt wurde, aus den Händen des Besatzers zurückzugewinnen. Albrecht war somit Herrscher in einem östlichen Grenzgebiet des Heiligen Römischen Reiches und ein solches Grenzgebiet wurde als Mark bezeichnet; in unserem Falle also die Mark Brandenburg.  „Brandenburg“ nach dem Sitz des weltlichen Herrschers Albrecht auf der Brandenburg an der Havel.

Zu Beginn war die Mark noch recht klein, sie bestand aus der Altmark – grob die zwei nördlichen Landkreise des heutigen Sachsen-Anhalt, Teilen des Havellandes und der Zauche – der nördliche Teil des heutigen Landkreises Potsdam-Mittelmark. Das war es zunächst. Auf dem Rest der Landschaften zwischen Havel und Oder gründeten die Askanier und wettinische, magdeburgische, pommersche sowie piastische Kräfte etliche Orte „um die Wette“  und rangen so um die dauerhafte Errichtung einer Herrschaft für ihre jeweiligen Herren. Auch der eine oder andere, meist recht kurzlebige  Versuch der Etablierung einer eigenständigen, unabhängigen Adelsherrschaft wurde unternommen. Doch nach und nach setzten dich die „Brandenburger“ durch. Brandenburg wurde – nicht zuletzt durch die 1356 in der Goldenen Bulle festgeschrieben Kurfürstenwürde eine feste Größe im Gefüge des Heiligen Römischen Reiches. 1356 herrschten in Brandenburg mittlerweile die Wittelsbacher (ja, die Bayern). Der letzte Wittelsbacher Markgraf Otto V. trug übrigens den schönen Beinamen „der Faule“.

Aber wo liegt nun die Mark?

Wir haben uns heute angewöhnt, „Brandenburger“ und „Märker“ synonym zu verwenden. Aber bei genauerer Betrachtung ist das eigentlich falsch. Nicht jeder Brandenburger ist Märker und darüber hinaus ist heute nicht mal jeder Märker Brandenburger.

Nach der Etablierung der Mark Brandenburg innerhalb des Heiligen Römischen Reiches entwickelten sich 5 historische Landesteile, die uns heute leider kaum bewußt sind, aber uns im Alltag ab und an noch über den Weg laufen und uns dabei auch gern mal einen gedanklichen Streich spielen.

Diese 5 historischen Landesteile sind:


1. Altmark (heute in Sachsen-Anhalt)

2. Neumark (heute in Polen)

3. Mittelmark (zwischen 1. und 2.)

4. Vormark (Prignitz)

5. Uckermark (manch einer zählt sie auch zur Mittelmark)

Die Mark 1320 – die Einteilung in „Nieder-“ und „Oberlausitz“ wurde erst ab dem 15. Jh. vorgenommen. Bis dahin wurde nur die spätere Niederlausitz als „Lausitz“ bezeichnet, die später Oberlausitz nicht
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MarkBrandenburg.png (Wikipedia, von de: Benutzer: Captain Blood)

Heute noch in sprachlichem Gebrauch sind davon lediglich „Uckermark“ und „Mittelmark“, zur Prignitz sagt niemand mehr Vormark und Alt- sowie Neumark sind uns im Laufe der Geschichte abhandengekommen. Die Neumark 1945 und die Altmark schon 1815. Wobei die Altmark lediglich einer Gebietsreform zum Opfer fiel. Sie blieb unter der Herrschaft der preußischen Krone, bildete aber zusammen mit Gebieten des seit 1680 schon unter Brandenburger Hoheit stehenden Herzogtums Magdeburg und neu hinzu gekommenen Gebieten des königlichen Sachsens die neue Preußische Provinz Sachsen. Nach 1945 wurde aus ihr das Land Sachsen-Anhalt, bis es 1952 aufgelöst und 1990 wiedergeboren wurde.  Märker leben also heute auch noch in den beiden nördlichen Landkreisen Sachsen-Anhalts, sind seit 1815 aber keine Brandenburger (mehr).

1815 geschahen für Brandenburg gleich mehrere wichtige Änderungen. Auch wenn das Ende der Mark Brandenburg im Jahre 1806 ein Ergebnis der Niederlage gegen Napoleon war, wurde die Mark – genauso wie das Heilige Römische Reich – 1815, nachdem sich das Blatt gewendet hatte, nicht wieder ins Leben gerufen. Die preußischen Reformen waren im vollen Gange und Preußen wurde erstmals in Provinzen gegliedert. 1815 war das Jahr in dem nach dem endgültigen Sieg über Napoleon ganz Europa auf dem Wiener Kongress (1814/15) neu verhandelt und aufgeteilt wurde.  Sachsen, ein ursprünglicher Parteigänger Napoleons, verlor dabei  fast 60 Prozent  seiner Gebiete mit 40% der sächsischen Bevölkerung und mußte diese an Preußen abtreten. Ein Teil ging, wie eben geschildert, an die neue Preußische Provinz Sachsen ein kleinerer Teil wurde der Preußischen Provinz Schlesien zugeschlagen und ein Großteil der neuen Preußischen Provinz Brandenburg. Die ehemals sächsischen Gebiete waren nun also brandenburgisch und grenzten an die Alt-Brandenburger Neumark und die Mittelmark, waren aber selbst eben nicht Teil der alten Mark Brandenburg.

Die Mittelmark ist eine Region, die uns heute allzu gern einen gedanklichen Streich spielt. Gerade in der Presse ist oft von einer Verortung „Mittelmark“ oder von „mittelmärkischen Gemeinden“ zu lesen, wenn Geschehnisse im Landkreis Potsdam-Mittelmark beschrieben werden sollen. Das ist ebenso falsch wie es auch leicht nachvollziehbar ist.  Hier die Erklärung für den nachvollziehbaren Fehler:

Potsdam-Mittelmark entstand 1993, neben anderen Gebieten, hauptsächlich aus den 3 DDR-Kreisen Belzig, Potsdam-Land und Brandenburg-Land. Der Name des Landkreises „Potsdam-Mittelmark“ bedeutet nicht „bei Potsdam UND die Mittelmark“, so scheinen es viele Menschen und Journalisten fälschlicherweise zu verstehen, sondern eher eigentlich „Potsdamer Umland IN der Mittelmark“. Leider berücksichtigt der gewählte Landkreisname dadurch nicht den ganzen Landkreis. Der komplette Süden des Kreises gehörte bis 1815 größtenteils zu Sachsen und dort zum Amt Belzig und liegt somit nicht in der Mittelmark. Von 1815/17-1952 hieß das was wir heute als Potsdam-Mittelmark kennen (mit der einen oder anderen Gebietskorrektur zu verschiedenen Zeiten) „Landkreis Zauch-Belzig“: wobei „Belzig“ für das ehemals sächsische Amt steht und “Zauch“ für den bis dahin als Zaucheschen Kreis bezeichneten Landstrich in Brandenburg. Und die Zauche liegt in der Mittelmark, stellt aber nur deren südwestlichsten Zipfel dar. Das Havelland, nördlich der Zauche liegt auch in der Mittelmark. Östlich der Zauche liegt der Teltow (der Norden-Teltow-Flämings) auch der einst ein mittelmärkischer Kreis. Und auch der Norden des  Landkreises Dahme-Spree, früher  zum Teil zum Kreis Teltow gehörig, liegt in der Mittelmark. Im Grunde ist die Mittelmark das gesamte Gebiet zwischen Sachsen-Anhalt und der Oder. Im Norden wird die Mittelmark durch die Vormark (Prignitz, heute im Landkreis  Prignitz und Teile v. Ostprignitz-Ruppin) und die Uckermark begrenzt. Die südliche Grenze der Mittelmark zieht sich quer durch ganz Brandenburg entlang der bis 1815 sächsischen Gebiete. Nauen, Oranienburg, Erkner sind Orte der Mittelmark wohingegen Belzig z.B. nicht in der Mittelmark liegt, obwohl der Landkreisname in täuschender Weise das Gegenteil behauptet.


Fazit:

Mit „Märker“ oder „in der Mark“ werden heute zwar oft alle Brandenburger und ganz Brandenburg beschrieben, eigentlich leben aber nur die Brandenburger nördlich der bis 1815 sächsischen Gebiete in der Mark und sind Märker. Wohingegen auch einige Sachsen-Anhaltiner und die Bewohner der größten märkischen Stadt, Berlin, zwar auch Märker aber eben keine Brandenburger sind.

Historisch durchaus ableitbar wäre aber, die südlich der Mark liegenden Gebiete Brandenburgs als „Lausitz“ zu bezeichnen. Auch wenn dieser Begriff heute ein deutlich enger gezeichnetes Gebiet umfasst als die historische Lausitz, die zeitweise auch als Mark Lausitz in Erscheinung trat. So wird es beispielsweise einigen Bewohnern des Flämings kaum bewußt sein, daß auch ihre Orte einst ein Teil der Lausitz waren.

Wenn man heute also Geschehnisse in Brandenburg beschreiben möchte, so ist „in der Mark“, wie dargestellt eigentlich falsch; „Mark und Lausitz“ aber schon ziemlich dicht an einer optimalen Ansprache. Der Franke in Bayern  kennt das; wobei ja hier noch das Problem besteht, daß der Landesname sich nur an einer Gruppe, den Bayern, orientiert und die Franken außen vor läßt. Brandenburg hingegen ist heute das Land von Mark und Lausitz, da sollte es keine Streitigkeiten geben. Naja, oder vielleicht doch. Einen weißen Flecken gäbe es. Ähnlich wie im angesprochenen Bundesland Bayern, wo es neben Franken und Bayern auch noch die Schwaben gibt, hat auch Brandenburg einen Landstrich, den man weder zur Lausitz noch zur Mark zählen kann. Dies ist ein Landstrich, der größtenteils von einer Kulturlandschaft abgedeckt wird, die zwar nie eigenstaatlich oder eine Verwaltungseinheit war, aber dennoch vielen Menschen ein Begriff ist: der Fläming (auch wenn er bis nach Sachsen-Anhalt hineinreicht und bis in die Lausitz) Also ist Brandenburg, wenn man es genau nimmt, das Land von Mark, Lausitz und Fläming.

Übrigens: Die fünf Bände Theodor Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ entstanden zwischen 1862 und 1889. Zu einer Zeit also, in der Brandenburg – bis auf die später abhanden gekommene Neumark und das ausgegliederte Berlin – ungefähr schon so aussah wie heute. Dennoch spart er in seinem Werk den Süden komplett aus. Gewandert wurde tatsächlich nur durch das märkische Brandenburg – ohne die offiziell nun nicht mehr Brandenburger Altmark aber eben auch ohne die nun Brandenburger Lausitz. Mit der Lausitz hätte das Werk ja auch „Wanderungen durch Brandenburg“ heißen müssen.

Die Mark Brandenburg 1648
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Straßennetz_und_Städte_Mark_Brandenburg_1648.png (Wikipedia)