Alltag im Teltow 1856 – How much is the fish?

Es gibt ja viele Möglichkeiten, das Leben unserer Altvorderen unter die Lupe zu nehmen. Wir tun das, um eine Vorstellung vom Alltag unserer Vorfahren in den jeweiligen Epochen zu bekommen. Eine ganz passable Möglichkeit ist es zum Beispiel, Verdienst und Lebenshaltungskosten zu betrachten und mit unserer Wirklichkeit zu vergleichen. Nachfolgend eine Betrachtung anhand von Beispielen aus dem Jahre 1856

Bezahlt wurde bei uns seinerzeit mit T(h)alern.

Ein Thaler entsprach seit 1821 30 Silbergroschen (davor 24 Gute Groschen)

Ein Silbergroschen entsprach 12 Pfennigen

Ein Thaler bestand demnach aus dem Gegenwert von 360 Pfennigen (bis 1821 waren es 288 Pfennige)

Aber wieviel wert war denn nun ein Thaler? Wieviel verdiente man? Was konnte man sich von seinem Gehalt leisten? Was kostete die Miete einer Wohnung oder der Kauf eines Hauses?

Nachfolgend einige Beispiele, meist entnommen den Ausgaben des „Teltower Kreisblatt“ von Juli und August 1856. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die Stadt Charlottenburg, die damals noch eine Stadt im Kreis Teltow war. Die erste Ausgabe erschien am 5. Juli 1856 und löste das bis dahin erscheinende Charlottenburger Wochenblatt ab. Von Beginn an das offizielle Verkündungsorgan des Kreises, dauerte es noch eine Weile bis es auch inhaltlich vom Stadt- zum Kreisblatt wurde. (Alle digital verfügbaren Ausgaben des Teltower Kreisblattes finden Sie hier)


Einkommen

In den Ausgaben des sonnabends erscheinenden Teltower Kreisblattes der Monate Juli und August des Jahres 1856 finden sich 2 Angaben zu möglichen Verdiensten.

Vermutlich eher am unteren Ende der Einkommensskala stand das Salär eines Dienstmädchens.

Stellenangebot:
„Ein Mädchen, das die Küche gründlich versteht, Haus-Arbeit mit übernimmt und gute Empfehlungen hat, kann gegen 36 Thlr. jährlichen Lohn sofort in einen guten Dienst treten…..

Im Anzeigenteil des „Teltower Kreisblattes“ gab es recht viele Gesuche nach einer Dienstmagd, Hausmädchen etc. Dies aber war die einzige Anzeige mit der Angabe eines Jahresgehaltes, weshalb angenommen werden darf, daß 36 Thaler ein durchaus gutes Gehalt gewesen sein könnte. Kost und Logis kamen in der Regel noch frei obenauf.

Zum Vergleich ein Stellenangebot der öffentlichen Hand:

Hier wird für Zossen ein Stadt- und Polizeidiener gesucht. Neben freier Wohnung und Brennholz erwarten den glücklichen Stelleninhaber mindestens 144 Thaler Jahresgehalt

Zur Einordnung der angebotenen Polizeistelle: In größeren Städten gab es Polizeidirektionen in kleineren wurden die Polizeiaufgaben über Stadt- und Polizeidiener vom Magistrat (der Stadtverwaltung) koordiniert und beaufsichtigt. Oft wurden Stellen im Post- Verwaltungs- und Polizeidienst von ehemaligen Unteroffizieren ausgeübt („qualifizierte Versorgungs-Berechtigte“). Als Unteroffizier bekam man um 1850 rund 90 Thaler im Jahr. Dies reichte gemäß einiger Quellen aus, um auch eine Familie zu ernähren. Ein einfacher Soldat kam zwar nur auf 24 Thaler pro Jahr, brauchte sich aber um Essen und Unterkunft nicht zu kümmern. Von daher sollten die 144 Thaler Jahressalär schon als ordentliches Gehalt gelten können wenn man bedenkt, daß Soldaten und Dienstmägde im Schnitt zwischen 20-30 Thaler pro Jahr bei freier Kost und Logis verdienten. Zur gleichen Zeit erhielt ein gelernter Arbeiter im benachbarten Berlin beim im High-Tech-Segment dieser Zeit tätigen Unternehmen „Siemens & Halske“ rund 300 Thaler Jahresgehalt, dies allerdings ohne weitere Vergünstigungen wie Wohnung, Kost oder Brennholz. Zwischen 50-70% des Arbeitergehaltes sollen aber für die Lebenshaltungskosten beansprucht worden sein, so daß sich – ähnlich wie heute – das Gehalt eines Polizisten im mittleren Dienst ungefähr auf dem Niveau eines qualifizierten Arbeiters bewegen dürfte. Für ein schärferes Bild wäre hier zu klären, wie groß der Anteil gelernter Arbeiter im Vergleich zu den ungelernten Arbeitern gewesen ist.

Ausgaben

„Wohnungsmarkt“

Nachfolgend einige Wohnungsangebote mit Mietpreisangabe

Eine kleine Wohnung zu 18 Thalern Jahresmiete
2 Zimmer, Küche, Keller, Kammer Holzgelaß
Parterre 40 Thaler Jahresmiete
Klare Zielgruppe: „Alte Damen ohne Kinder“, nicht näher beschriebene Wohnungen zu 36 und 46 Thaler Jahresmiete
Wenn es etwas mehr sein darf: 5 Zimmer, Schlafkammer, Küche nebst Zubehör für 100 Thaler im Jahr

Und hier zwei Angebote inklusive Ladengeschäft

2- und 3-Zimmerwohnungen mit Ladengeschäft für 80 Thaler Jahresmiete – Das scheint im Vergleich zu heute recht günstig, oder?

Ein Geldgesuch aus dem sich auf den Wert eines Hauses schließen läßt

Zwar ein Geldgesuch aber als Sicherheit wird der „Feuerkassenwert“ der Immobilie, also der Wert nachdem sich die Versicherungsprämie berechnet, genannt: Ein Haus à 4.060 Thaler

Für 40 Thaler im Jahr konnte man in einer 2,5-Zimmer-Wohnung also schon ganz passabel wohnen und nach 100 Jahren hätte man so viel Miete gezahlt, wie auch das ausgewählte, zu beleihende Haus (von dessen Größe wir nichts wissen) wert ist. Ein Verhältnis, daß heute etwas schlechter sein dürfte aber für größere Häuser in besserer Lage sicher immernoch grob zutrifft.

„Dies und Das“

Heizkosten:

Guter feuerkräftiger Torf…. pro Haufen 10 und 10,5 Thaler.

Geheizt wurde seinerzeit oft mit Torf. Ein Haufen Torf wird hier ab 10 Thaler verkauft. Klingt viel, ein Haufen Torf ist aber auch sehr viel Torf, 6.000 Stück bilden einen „Haufen“. Mit einem zweispännigen Fuhrwerk konnten ungefähr 1.800 Stück Torf transportiert werden; das war ein „Fuhre“ andernorts auch „Fuder“. Ein Haufen waren also drei und ein Drittel Fuhrwerke Torf.

„Raff- und Leseholz“ konnten gegen eine kostenpflichtige Genehmigung, der „Heide-Einmiethe“ von 15 (Silber)Groschen (=0,5 Thaler), nach Bedarf aus dem Forst geholt werden. Bedürftige durften dies offensichtlich sogar kostenlos aus dem königlichen Forst.

Licht und Durst

1 Pack Kerzen (10 Stk.) gab es für rd. 10 Groschen

1 Quart Brennspiritus (1,145 l) 8,5 Groschen

1 Flasche französischen Weins 10 Groschen (Volumen unbekannt, aber es gab damals auch Quartflaschen für Wein)

Verpflegung

Dickmilch zur Butterherstellung:

Milch zum Buttern gab es „die Satte“ für 1 bis 2 Groschen (also 12 bis 24 Pfennige.

Mutmaßung zum Volumen: Eine Milchsatte soll laut Wikipedia ein Volumen zwischen 5 und 25 Litern gehabt haben. Wenn man aber bedenkt, daß der Milchverkaufspreis inklusive Transport bei 16 – 13 Pfennigen/Liter gelegen haben sollen, sollte man vielleicht doch von einer Menge deutlich weniger als 1 Liter ausgehen und erwägen, daß eine Milchsatte für den Hausgebrauch womöglich deutlich kleiner war als auf einem Wirtschaftshof

Backmehl:

ein Achtel (?) Zentner (Ctr.) Roggenmehl für 21 Groschen

Vermutet werden darf, daß es sich bei „einem Zentner“ im Charlottenburg des Jahres 1856 noch um ein Gewicht von heute 51,448 kg gehandelt haben dürfte. So viel wog ein preußischer Zentner seit 1816 (davor 51,525 kg). Nach Gründung des deutschen Zollvereins 1833 gab es zwar für den Handel zwischen den einzelnen Ländern die Festlegung, daß ein Zentner mit 50 kg* anzusetzen sei, dieses „Zollgewicht“ („Zoll“ vom Verein, nicht vom Längenmaß) blieb aber vorerst nur Handelsrechengröße und setzte sich erst ab 1858 allmählich im Innern der einzelnen Länder als Standardmaß auch im Alltag durch.
* hessisch-badisches Maß, dort hatte man es schon früher unter napoleonischen Einfluß aus Frankreich übernommen

Getreidepreise u. a.

Getreide wurde nach Scheffeln gehandelt. Das Scheffel war ein Volumenmaß von 54,9615 Liter. Legt man ein Gewicht von 70-75 kg/Hektoliter Roggen zugrunde, so dürfte 1 Scheffel trockenen Roggens also um die 40 kg gewogen haben

Diese Zahlen und Beispiele als Grundlage, sich ein Bild für einen kleinen Teil des Alltags der damaligen Zeit zu machen. Nun kann sich ein jeder selbst mal ausrechnen, ob und wie sich auf heute bezogen Relationen verschoben haben oder nicht.